Kleinverdiener und Personen mit mehreren Jobs dürfen sich freuen: im Rahmen der Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) hat sich der Ständerat 2022 für ein neues Modell entschieden. So sollen diejenigen, die in der Schweiz wenig verdienen, im Rentenalter bessergestellt werden. Bislang werden fix CHF 25.725 (ab 1. Januar 2023) vom Jahreslohn abgezogen, um den versicherten Jahreslohn zu erhalten. Durch diese Regelung des Koordinationsabzuges ist es vor allem für Menschen, mit mehreren Arbeitgebern sowie für Geringverdiener schwer, eine Rente fürs Alter anzusparen. Besonders hart traf der Koordinationsabzug in der Vergangenheit teilzeitarbeitende Frauen in Tieflohnberufen.
Die drei Säulen des Schweizer Vorsorgesystems
Seit 1985 gilt in der Schweiz das Drei-Säulen-System. Diese drei Säulen stellen die tragenden Pfeiler der Altersvorsorge dar, die die Alters-, Invaliditäts- und Hinterlassenenversicherung umfasst. Mit dem Drei-Säulen-System lässt sich der Zusammenhang zwischen der obligatorischen und freiwilligen bzw. der sozialen und privaten Vorsorge abbilden.
- Erste Säule: Die erste Säule ist die wichtigste für die Altersvorsorge. Denn sie soll die Existenz der Schweizer im Alter absichern. Bestehend aus der staatlichen Vorsorge und der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) ist es Aufgabe der ersten Säule eine Grundrente zu gewährleisten und Armut zu vermeiden.
- Zweite Säule: Gemeinsam mit der ersten Säule soll die zweite Säule den gewohnten Lebensstandard aufrechterhalten und dient als kapitalgedeckte Versicherung für die berufstätige Bevölkerung. Die zweite Säule geht über die Existenzsicherung hinaus und ermöglicht den Schweizern mehr finanzielle Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit im Alter. Teil der zweiten Säule ist die berufliche Vorsorge durch die sogenannte Pensionskasse (BVG).
- Dritte Säule: Auch, wenn bereits die erste und zweite Säule einen gewissen Lebensstandard im Alter sichern, ist es sinnvoll freiwillig eine dritte Säule einzurichten. Durch die dritte Säule kann während des Erwerbslebens bis zur Pensionierung bei einer Bank oder einer Versicherung ein Sparguthaben angehäuft werden. Auch Spareinlagen wie etwa Bargeld, Lebensversicherungen oder Investitionen zählen zur dritten Säule.
Wie hoch ist die Eintrittsschwelle für das Mindesteinkommen?
In der Schweiz kann man erst ab einem bestimmen Jahreseinkommen in die Pensionskasse (zweite Säule) einzahlen. 2022 lag die Eintrittsschwelle noch bei 21.510 Schweizer Franken. Seit 2023 können Schweizer erst ab einem Mindestjahreseinkommen von 22.050 Schweizer Franken in die Pensionskasse einzahlen. Der Ständerat plant, den Sparbeginn ab 25 Jahren beizubehalten. Anders der Nationalrat – dieser möchte den Sparbeginn auf das Alter von 20 Jahren senken.
Unterschied zwischen massgebendem Lohn und koordiniertem Lohn
Um das Modell des Koordinationsabzugs zu verstehen, muss zunächst der Unterschied zwischen massgebendem Lohn und koordiniertem Lohn verdeutlicht werden.
- Massgebender durchschnittlicher Lohn: Der massgebende durchschnittliche Lohn entspricht der Summe aus dem Durchschnitt der aufgewerteten Einkommen und dem Durchschnitt der Erziehungs- und Betreuungsgutschriften. Zu den aufgewerteten Einkommen zählen etwa die Nichterwerbstätigen-Beiträge, Beiträge aus Erwerbstätigkeit oder der gesplitteten Einkommen. Der massgebende durchschnittliche Lohn kann dem Bruttojahreslohn gleichgesetzt werden.
- Koordinierter Lohn: Wenn die Eintrittsschwelle von 22.050 Schweizer Franken vom Arbeitnehmer erreicht wird, ist dieser Teil des Jahreslohnes obligatorisch versichert. Den Teil des Jahreslohnes, der automatisch versichert ist, nennt man koordinierten Lohn. Demnach entspricht der koordinierte Lohn dem massgebenden Lohn, nachdem der Koordinationsabzug abgezogen wurde. Aktuell beträgt der koordinierte Lohn mindestens 3.675 Schweizer Franken.
Was bedeutet Koordinationsabzug?
Der Koordinationsabzug beschreibt also die Differenz zwischen massgebenden Lohn und koordiniertem Lohn. Dass die Pensionskasse (zweite Säule) nur Beiträge auf den Teil des Lohns erhebt, für die nicht schon die erste Säule Leistungen ausrichtet, soll der Koordinationsabzug sicherstellen. Andernfalls könnte es passieren, dass Lohnbestandteile der AHV-Rente doppelt versichert werden. Der Abzug beträgt derzeit 7/8 der maximalen AHV-Rente. Wie hoch der Koordinationsabzug ist, legt der Bundesrat fest.
Wie hoch ist die Maximalrente bzw. die Minimalrente?
Die maximale AHV-Rente liegt seit dem Januar 2023 bei 29.400 Schweizer Franken im Jahr. Die Maximalrente hängt vom massgebenden durchschnittlichen Jahreseinkommen und der Beitragsdauer ab. Pro Monat beträgt die Maximalrente für eine Einzelperson 2.450 Schweizer Franken. Die Maximalrente ist doppelt so hoch wie die Minimalrente. Dementsprechend liegt die minimale Altersrente pro Monat aktuell bei 1.225 Schweizer Franken.
Aktuelles Modell für den Koordinationsabzug
Im Jahr 2022 lag der Koordinationsabzug noch bei 25.095 Schweizer Franken. Seit Beginn 2023 werden 25.725 Schweizer Franken vom massgebenden Lohn als Koordinationsabzug abgezogen. Das liegt daran, dass ab dem 1. Januar 2023 eine Änderung bei den Vorsorgekennzahlen 2023 gibt. Liegt der jährliche Lohn eines Schweizer Arbeitnehmers zwischen 22.050 (BVG-Eintrittsschwelle 2023) und 29.400 Schweizer Franken (maximale AHV-Einzelrente), so versichert die Pensionskasse den Arbeitnehmer mit dem BVG-Mindestlohn von 3.675 Schweizer Franken.
Neues Modell für den Koordinationsabzug
Im Herbst 2022 wurde eine AHV-Vorlage durch das Volk und die Stände angenommen. Im Anschluss diskutierte der Ständerat über ein mögliches neues Modell für die berufliche Vorsorge. Im Rahmen der Reform der beruflichen Vorsorge hat der Schweizer Ständerat beschlossen, dass 15 Prozent des AHV-pflichtigen Lohnes als sogenannter Koordinationsabzug berechnet werden sollen. Da ausserdem durch die geplante Senkung des Umwandlungssatzes von 6.8 auf 6.0 Prozent vor der Pensionierung nicht mehr alle genügend Alterskapital ansparen, umfasst die Vorlage zudem Übergangsmassnahmen. So soll verhindert werden, dass diese Gruppe den Rentenausfall von etwa zwölf Prozent noch rechtzeitig kompensieren kann.
Wer profitiert vom neuen Modell für den Koordinationsabzug?
Profitieren werden von der Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) vor allem Kleinverdiener und Mehrfachbeschäftigte in der Schweiz. Das neue Modell beim Koordinationsabzug soll vor allem schlecht verdienenden und in Teilzeit arbeitenden Frauen zu besseren Rentenaussichten zu verhelfen. Bislang können Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor ihr Einkommen nicht oder nur marginal in einer Pensionskasse versichern und damit keine Rente fürs Alter ansparen.