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Steuerruling: Mehr Sicherheit im Berufsalltag

6. März 2017

    Das Urteil vom 5. Oktober 2012 löste bei den Steuerpflichtigen, ihren Beratern sowie den Steuerbehörden bezüglich der Bindungswirkung eines Steuerrulings eine spürbare Verunsicherung aus. Bis zu diesem Zeitpunkt herrschte bei den Akteuren in der Steuerwelt überwiegend Einigkeit darüber, dass die kantonalen Steuerbehörden für die Erteilung von Steuerrulings betreffend die direkte Bundessteuer als veranlagende Behörde zuständig sind. Das Bundesgericht hatte diesen Grundsatz zwischenzeitlich in Frage gestellt. Nun hat es sich zur Zuständigkeit für die Rulinggewährung, Bindungswirkung bei Erteilung durch die nicht zuständige Behörde, Zeitpunkt des Widerrufs sowie Übergangsfristen bei Widerruf wegweisend geäussert.

    Im Rahmen eines Steuerrulings können Steuerpflichtige der zuständigen Steuerbehörde einen Sachverhalt vorab zur steuerlich verbindlichen Beurteilung unterbreiten. In der Praxis sind solche Steuerrulings von grosser Bedeutung, da in Bezug auf die Steuerfolgen Rechtssicherheit erlangt werden kann und somit bei der Steuerveranlagung „böse Überraschungen“ vermieden werden können. Damit ein Steuerruling für die Steuerbehörden verbindlich ist, muss es für einen bestimmten (Kreis von) Steuerpflichtigen, für einen konkreten Sachverhalt, vorab und von der zuständigen Steuerbehörde gewährt werden. Der Steuerpflichtige kann sich zudem nur darauf berufen, wenn er aufgrund des Steuerrulings Dispositionen getroffen und sich die Rechtslage seit Bestätigung des Rulings nicht geändert hat.

    Der Offshore-Finanzierungsbetriebsstätten-Fall als eigentlicher Auslöser der Debatte

    Im Urteil vom 5. Oktober 2012 (BGE 139 II 78 resp. 2C_708/2011) hatte das Bundesgreicht über die Offshore-Finanzierungsbetriebsstätte eines sonst ausschliesslich in der Schweiz tätigen Immobilienkonzerns mit Sitz im Kanton Zug zu befinden. Der Immobilienkonzern erhielt von der Steuerverwaltung des Kantons Zug ein Steuerruling hinsichtlich der Anerkennung dieser Finanzierungsbetriebsstätte betreffend die kantonalen Gewinn- und Kapitalsteuern sowie die direkte Bundessteuer. Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) teilte im Februar 2005 der Steuerverwaltung des Kantons Zug mit, dass sie das Steuerruling bezüglich der direkten Bundessteuer ab dem Steuerjahr 2005 nicht mehr akzeptieren werden, worauf Letztere die Steuerpflichtige informierte. Anlässlich der Beurteilung durch das Bundesgericht kam dieses zum Schluss, dass er der Offshore-Finanzierungsbetriebsstätte an hinreichender Substanz für die steuerliche Anerkennung fehle, sodass sie nicht als Betriebsstätte anerkannt werden können. Unklar war für das Bundesgericht , ob die Immobiliengesellschaft durch das Steuerruling geschützt ist. Das Gericht stellte fest, dass die ESTV für die Erteilung einer Steuerauskunft bezüglich der direkten Bundessteuer nicht miteinbezogen worden ist, was eine direkte Wirkung des Vertrauensschutzes des Steuerpflichtigen auch gegenüber der ESTV entfalten hätte. Bis zu diesem Zeitpunkt herrschte bei den Akteuren in der Steuerwelt überwiegend Einigkeit darüber, dass einzig die kantonalen Steuerbehörden für die Erteilung von Steuerrulings betreffend die direkte Bundessteuer zuständig sind, da sie mit der Veranlagung gesetzlich betreut werden. Glücklicherweise wies das Bundesgericht den Fall für weitere Abklärungen an die Vorinstanz zurück und bekam nun erneut die Gelegenheit, sich sowohl in diesem Fall als auch in weiteren Fällen zu wichtigen Aspekten eins rechtsverbindlichen Steuerruling zu äussern.

    Zuständige Rulingbehörde für die direkte Bundessteuer

    Das Bundesgericht hat sich in den Urteilen vom 24. August 2015 (2C_807/2014 und 2C_529/2014) eingehend mit der Zuständigkeit für die Rulinggewährung betreffend die direkte Bundessteuer auseinandergesetzt. Es kommt dabei zum Schluss, dass die ESTV keine Befugnis zur verbindlichen Erteilung von Steuerrulings hat, sondern dass die Rulingkompetenz für die direkte Bundessteuer einzig bei den für die Veranlagung zuständigen kantonalen Steuerbehörden liegt. Damit hat das Bundesgericht seine im Urteil vom 5. Oktober 2012 vertretene Auffassung revidiert. Somit sind Steuerrulings, weiterhin gültig, mithin auch für die ESTV verbindlich, so lange das Ruling nicht durch die kantonale Steuerverwaltung oder die ESTV wiederrufen wird.

    Vertrauensschutz bei Erteilung des Rulings durch die nicht zuständige Steuerbehörde

    Im Urteil 2C_529/2014 sowie in dem bereits am 26. Oktober 2012 in gleicher Sache ergangenen Entscheid (2C_565/2011) stellte sich die Frage, ob eine kantonale Steuerbehörde an ein Ruling der ESTV gebunden ist, welches Letztere für die direkte Bundessteuer gewährte. Von einem Steuerberater wurde bei zahlreichen kantonalen Steuerbehörden ein Ruling für die jeweiligen Kantons- und Gemeindesteuern sowie bei der ESTV ein Ruling betreffend die direkte Bundessteuer eingeholt, das die Steuerfolgen für Schweizer Anleger in ein ausländisches Investmentvehikel zum Gegenstand hatte. Es wurde darauf verzichtet, das ESTV-Ruling anschliessend auch durch die kantonalen Steuerbehörden genehmigen zu lassen, obwohl letztere aufgrund der Veranlagungskompetenz für die Rulinggewährung zuständig wären.

    Im vorliegenden Fall durfte der Steuerpflichtige dennoch auf das ESTV-Ruling resp. die Zuständigkeit der ESTV vertrauen, obschon der Steuerpflichtige von einem erfahrenen Steuerspezialisten vertreten war. Gerade weil die ESTV in verschiedenen Bereichen im Einvernehmen mit den Kantonen typischerweise solche Steuerrulings für die direkte Bundessteuer erlassen hat, das Ruling vorbehaltlos erteilte – mithin nicht von einer Genehmigung der kantonalen Steuerbehörde abhängig machte – und als Aufsichtsbehörde für die ordnungsgemässe und einheitliche Anwendung der direkten Bundessteuer zuständig ist, war das Steuerruling gültig und für die Kantone und die ESTV bezüglich der direkten Bundessteuer bindend.

    Richtigerweise war das Ruling der ESTV aber nicht bindend für die Staats- und Gemeindesteuern. Einer der Investoren war im Kanton Fribourg steuerpflichtig, wo kein kantonales Steuerruling eingereicht wurde. Der Kanton Fribourg anerkannte zwar das Ruling der ESTV in Bezug auf die Veranlagung bei der direkten Bundessteuer, für die Staats- und Gemeindessteuern akzeptierte er aber die entsprechende steuerliche Beurteilung nicht.

    An dieser Stelle ist anzumerken, dass das Bundesgericht mehrmals auf die «vorliegende Konstellation» hingewiesen hat. Der Fall betraf Steuerpflichtige in zahlreichen Kantonen. In der Praxis ist es in solchen Fällen durchaus üblich, dass das Steuerruling für die Kantons- und Gemeindesteuern sowie die direkte Bundessteuer von dem am meisten betroffenen Kanton in Zusammenarbeit mit der ESTV genehmigt wird und danach auch den übrigen Kantonen zur Genehmigung unterbreitet wird. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass das Bundesgericht in einem Fall, bei dem nur ein Kanton betroffen ist, anders entschieden hätte.

    Form und Zeitpunkt des Widerrufs eines Rulings

    Zudem hatte das Bundesgericht darüber zu befinden, in welchem Zeitpunkt die Steuerbehörde nicht mehr an ein Ruling gebunden ist (2C_807/2014). In casu hatte die ESTV im Februar 2005 die kantonale Steuerverwaltung informiert, dass das Ruling für das Steuerjahr 2005 mit Bezug auf die direkte Bundessteuer von der ESTV nicht mehr akzeptiert wird. Daraufhin hatte die kantonale Steuerverwaltung den Steuerpflichtigen umgehend schriftlich über den Entscheid der ESTV informiert. Das Bundesgericht hat hier geurteilt, dass eine solche Information bereits ausreichend ist, damit der Steuerpflichtige nicht mehr auf den Bestand des Rulings vertrauen darf. Die Bezeichnung des Schreibens als Widerruf resp. ein expliziter Widerruf des Rulings ist nicht nötig.

    Übergangsfrist beim Widerruf eines Rulings

    Schliesslich äusserte sich das Bundesgericht auch zur Übergangsfrist beim Widerruf eines Rulings. Im Fall der Offshore-Finanzierungsbetriebsstätte kam es zum Schluss, dass aufgrund der schlanken Strukturen vor Ort und der vertraglichen, 4-monatigen Kündigungsfrist der Mitarbeiter, eine Frist von wenigen Monaten zum Abbau der Struktur ausreichend sei. Da nach Auffassung des Bundesgerichts das Steuerruling im Februar 2005 rechtsgültig widerrufen wurde, erachtete es eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2005 als ausreichend, sodass das Ruling noch für das Steuerjahr 2005 zur Anwendung kam.

    Damit muss davon ausgegangen werden, dass die Übergangsfristen tendenziell knapp bemessen sind, der Steuerpflichtige unseres Erachtens wenigstens aber in dem Steuerjahr, in welchem der Widerruf erfolgte, das Ruling noch anwenden können sollte.

    Zusammenfassung

    Steuerrulings sind zwar von der Fachwelt eingehend steuersystematisch untersucht worden, in erster Linie bleiben sie aber ein Produkt der Praxis. Es ist daher sehr zu begrüssen, dass das Bundesgericht zum einen seine Unsicherheit stiftende Verlautbarung in diesem Punkt korrigiert hat und sich zum anderen ausführlich zu weiteren, wichtigen Aspekten rund um die Rulingpraxis geäussert hat.

    Nach diesen Urteilen ist für die Rulingpraxis davon auszugehen, dass

    – ein Ruling bezüglich der direkten Bundessteuer grundsätzlich immer von der kantonalen Steuerbehörde gewährt werden muss, – ein solches Ruling, das von der ESTV für die direkte Bundessteuer vorbehaltlos gewährt wurde, gültig ist, sofern in vergleichbaren Konstellationen die ESTV üblicherweise schon Rulings gewährt hat, – ein Ruling nur bis zu seinem Widerruf gültig ist, wobei die Form eines einfachen Informationsschreibens an den Steuerpflichtigen genügt, sofern daraus hervorgeht, dass die im Ruling bestätigte Besteuerung nicht mehr länger akzeptiert wird, – eine angemessene Übergangsfrist nach dem Widerruf gewährt werden muss, wobei unseres Erachtens wenigstens in dem Steuerjahr, in dem der Widerruf erfolgt, das Ruling noch Anwendung finden sollte.

    foto by pexels.com

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